Tätowierungen, Lederkluft und Motorräder. Wer diesen Frauen und Männern begegnet, denkt nicht als erstes an den Schutz von Kindern. Warum eigentlich nicht?
Denn die Mitglieder von Bikers Against Child Abuse® (B.A.C.A.) haben ein erklärtes Ziel: Ein sicheres Umfeld für missbrauchte Kinder zu schaffen und ihnen die Kraft zu geben, ohne Angst zu leben. B.A.C.A. ist eine gemeinnützige Organisation, die weltweit seit ihrer Gründung im Jahr 1995 in den USA unermüdlich daran arbeitet, Kinder mit Missbrauchserfahrungen vor weiteren Übergriffen zu schützen und ihnen emotionalen und physischen Beistand zu leisten. Mit ihrem einprägsamen Motto „No Child Deserves to Live in Fear“ und „Keepers of the Children“ senden sie eine klare Botschaft an alle, die Kindern Schaden zufügen wollen: Diese Kinder sind nicht allein, sondern werden von einer Gemeinschaft beschützt.
Während B.A.C.A. in den USA und vielen anderen Ländern gesellschaftlich breite Unterstützung erfährt, sieht dies in Deutschland oft anders aus. Nicht immer ist ihr Engagement reibungslos. Je nach Ort, beteiligten Institutionen und Persönlichkeiten erfährt B.A.C.A. Unterstützung, jedoch auch Kritik und Unverständnis. Auch deshalb ist es sinnvoll, sich mit dieser Dissonanz auseinanderzusetzen. Denn die Organisation handelt nicht frei Schnauze, sondern nach strikt festgelegten Strukturen.
Ich wollte mehr über die Mission, Herangehensweise und die anonym agierenden Frauen und Männer von B.A.C.A. erfahren. Und habe mit Noise, dem State President von B.A.C.A.® Germany, gesprochen:
Was ist die Mission von B.A.C.A. und welche Hauptziele verfolgt die Organisation?
Die Mission von B.A.C.A. (Bikers Against Child Abuse) ist es, missbrauchte Kinder zu unterstützen und ihnen ein sicheres Umfeld zu bieten. Wir möchten Kindern die Kraft geben, nicht mehr in Angst zu leben und sich sicher zu fühlen. Unsere Hauptziele sind es, das Selbstbewusstsein und den Mut der Kinder zu stärken, sie zu beschützen und ihnen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind.
Wer ist Teil der Organisation und wie werden die Mitarbeitenden ausgewählt, vorbereitet und ausgebildet?
B.A.C.A. hat keine Mitarbeitenden oder Mitarbeiter. Wir sind alles Freiwillige, die sich der Mission und der Organisation verpflichten und damit den Kindern die uns brauchen. Unsere Organisation besteht aus Motorradfahrern, die alle ein großes Herz, viel Engagement und den Wunsch haben, Kindern in Not zu helfen. Die Auswahl unserer Mitglieder erfolgt sorgfältig durch langes und umfangreiches kennenlernen, einschließlich wiederkehrender Hintergrundprüfungen. Nach der Aufnahme durchlaufen die neuen Mitglieder viele intensive Schulungen, die Themen wie Kinderschutz, Kommunikation, generellen Umgang mit betroffenen Kindern und sehr viel mehr umfasst. Bis ein Mitglied ein aktiver Pate, ein sogenannter Primary, eines Kindes werden kann, vergehen mindestens 12 Monate. Diese Zeit ist nicht festgelegt und variiert von Person zu Person. Wir müssen uns zu 100% und zweifelsfrei sicher sein, dass dieser Mensch in der Lage ist der ihm anvertrauten Verantwortung gerecht zu werden.
Wie genau unterstützt B.A.C.A. missbrauchte Kinder?
B.A.C.A. unterstützt missbrauchte Kinder, indem wir ihnen physische Sicherheit bieten und sie in unsere große Gemeinschaft aufnehmen. Mit eigener Kutte und zwei erfahrenen Mitgliedern, welche 24/7 direkt für das Kind erreichbar sind. Davon abgesehen:
- begleiten wir Kinder zu Gerichtsverhandlungen, Aussagen bei der Polizei, zu Therapeuten und Schulwegbegleitungen um ihnen beizustehen. in akuten Fällen von Angst und/oder Bedrohung sind wir so lange 24/7 vor dem Haus des Kindes präsent, bis es sich sicher fühlt und die Gefahr gebannt ist – auch wenn es mehrere Wochen dauert.
- führen wir regelmäßige Besuche durch, um Vertrauen aufzubauen und dem Kind zu zeigen, dass wir zu unserem Wort stehen, whatever it takes.
– sind wir 24/7 für die Kinder da, ohne Ausnahme.
– organisieren wir gemeinschaftliche Veranstaltungen, um das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken.
Arbeitet B.A.C.A. mit lokalen und staatlichen Kinderschutzorganisationen und Behörden zusammen?
B.A.C.A. ist bemüht den Kontakt mit lokalen und staatlichen Kinderschutzorganisationen zu halten und auszubauen. Das ist nicht immer einfach, da wir durch unser Aussehen nicht immer mit offenen Armen empfangen werden. Haben wir jedoch die Chance zu erklären was und wie wir das tun, dass wir in keiner Weise in Konkurrenz stehen und alle das gleiche Ziel verfolgen, nämlich den Schwächsten unserer Gesellschaft zu helfen und beizustehen, ist die Skepsis in den meisten Fällen überwunden. Alle
unsere größeren Veranstaltungen sind bei der Polizei und den lokalen Behörden angemeldet, um im Vorfeld vermeidbaren Situationen aus dem Weg zu gehen – dies wird in den allermeisten Fällen gut aufgenommen und unterstützt.
Wie wird B.A.C.A. in der Öffentlichkeit wahrgenommen – gibt es dort Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, in denen B.A.C.A. aktiv ist? Gibt es besondere Herausforderungen, die Ihr in der Öffentlichkeitsarbeit erlebt?
B.A.C.A. wird in der Öffentlichkeit, spätestens wenn man sich über uns informiert, überwiegend positiv wahrgenommen, insbesondere durch unsere direkte und engagierte Unterstützung für missbrauchte Kinder. Es gibt jedoch Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen den einzelnen Ländern, je nach kulturellem Kontext und öffentlicher Meinung über Motorradgruppen. Eine besondere Herausforderung in der Öffentlichkeitsarbeit besteht darin, Vorurteile gegenüber Motorradfahrern in Kutte zu überwinden und das Bewusstsein für unsere Mission und Arbeit zu sensibilisieren. B.A.C.A. ist auf vielen öffentlichen Veranstaltungen mit Informationsständen vor Ort, um über uns und unsere Arbeit aufzuklären.
Es gab Berichte über Kritik von anderen Organisationen wie dem Kinderschutzbund und dem „Weißen Ring“. Wie reagiert B.A.C.A. auf diese Kritik?
Wir nehmen Kritik ernst und suchen das Gespräch mit den kritisierenden Organisationen, um Missverständnisse auszuräumen und gemeinsame Lösungsansätze zu finden. Unser Hauptziel bleibt es, das Wohl der Kinder zu fördern, und wir sind dabei stets offen für konstruktive Zusammenarbeit.
Es wurde berichtet, dass die Polizei erklärt hat, dass es keine Zusammenarbeit gibt. Wie sieht die tatsächliche Beziehung zur Polizei aus?
Unsere Beziehung zur Polizei variiert je nach Region. In einigen Gebieten ist das Verhältnis mit der Polizei gut, während es in anderen Herausforderungen gibt, eine offizielle Zusammenarbeit zu etablieren. Wir respektieren die Arbeit der Polizei und sind bestrebt, durch kontinuierlichen Dialog und Koordination zum Schutz der Kinder beizutragen.
Mit welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen sieht sich B.A.C.A. in der täglichen Arbeit konfrontiert?
Zu den Herausforderungen gehören unter anderem
– Der generelle Umgang mit traumatisierten Kindern und deren Familien – genau dafür sind wir da, da jeder Fall absolut individuell ist, müssen wir uns der jeweiligen Situation stetig anpassen und konzentriert sein.
– Die Aufrechterhaltung eines hohen Standards für unsere Mitglieder und der Art wie wir arbeiten und vorgehen. Missverständnisse und Fehler haben keinen Platz bei unserer Mission.
– Die Koordination und Planung von Aufnahmen neuer Fälle, Informationsveranstaltungen, Interviews sowie verschiedensten Veranstaltungen die wir mit den Kindern durchführen.
– Die Sicherstellung eines nachhaltigen und gut funktionierenden, immer weiterwachsenden Vereins mit stetig neuen Aufgaben und Herausforderungen.
Gibt es besondere Erfolgsgeschichten oder bewegende Erlebnisse, die Ihr mit uns teilen könnt?
Jede Familie mit der B.A.C.A. zu tun hat ist bewegend. Jedes Erlebnis individuell und oft hoch emotional. Besonders schön ist es, wenn man sieht und durch unsere oft jahrelange Begleitung miterleben darf, wie Kinder ihr Selbstvertrauen wiederfinden und den Mut bekommen sich mit ihrer Situation auseinanderzusetzen und zu meistern, wieder stark und mutig durch ihr Leben gehen, wieder lernen zu lachen, ehrlichen Spaß zu haben und Vertrauen zulassen. Ganz besonders schön ist es, wenn sie uns irgendwann nicht mehr brauchen…
In manchen Fällen hat B.A.C.A. so nachhaltig geholfen, dass mittlerweile erwachsene B.A.C.A.-Kinder den Kontakt zu ihren ehemaligen Paten suchen um sie zu Meilensteinen ihres Lebens wie Hochzeiten oder Schulabschlüssen einzuladen.
Welche Ziele hat B.A.C.A. für die Zukunft?
Unsere primären Ziele für die Zukunft sind unter anderem
– B.A.C.A. als Organisation weiter bekannt zu machen um noch mehr Kindern helfen zu können
– Als Organisation weiter zu wachsen um noch flächendeckender für Hilfesuchende Kinder da sein zu können.
– Die Ausweitung unserer Öffentlichkeitsarbeit um für das Thema und unsere Mission weiter zu informieren.
Welche Botschaft möchtet Ihr den Zuhörenden mit auf den Weg geben?
Kein Kind hat es verdient in Angst leben müssen. Jeder von uns kann einen Unterschied machen, und zusammen können wir eine sichere und unterstützende Gemeinschaft für missbrauchte Kinder schaffen.
Was wünscht Ihr Euch?
Wir wünschen uns, dass mehr Menschen von uns und unserer Mission erfahren. Gemeinsam können wir das Leben missbrauchter Kinder positiv verändern und dazu beitragen ihnen eine sichere Zukunft ermöglichen.
© by Verena Arps-Roelle
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