#8

Ich hatte einen kleinen Fehler gemacht (Tippfehler in einem Brief).
Mein damaliger Chef meinte, ich könnte mir aussuchen, ob ich eine Abmahnung bekomme oder ob er mir den Hintern versohlen soll.
 
Ich dürfte aber nicht vergessen, dass ich nach drei Abmahnungen gekündigt werden kann.
Ich habe mir dann den Hintern versohlen lassen.
 
Beim nächsten Mal sollte ich die Hose runterziehen. Das habe ich nicht zugelassen und bin weggerannt.
 
Ich habe dann doch keine Abmahnung bekommen.
 
Ich habe noch nie darüber gesprochen. Er hat getan, als ob nichts gewesen wäre.
Ich war sehr froh, als er die Firma verlassen hat.
 
 
WELCHE SEXUALISIERTE GEWALTTAT LIEGT VOR?
  1. Aufforderung zu intimen Handlungen
  2. Körperliche Gewalt
  3. Objektivierung der Betroffenen als verfügbar

 

WELCHE TATSTRUKTUR LIEGT VOR?

  1. Ausnutzen von Vertrauenssituation
  2. Schaffen einer Isolierungssituation, ohne Möglichkeit Hilfe zu holen
  3. Ausnutzen einer Situation der Abhängigkeit
  4. Machtdemonstration
  5. Ausnutzen der Hierarchiestrukturen
  6. Drohung

 

Jede Tat und jedes Erleben ist einzigartig. Und doch sind sie keine Einzelfälle. Im Gegenteil. Unser Dank gilt allen Persönlichkeiten, die den Mut haben, ihre Geschichten zu berichten und sexualisierter Gewalt eine Stimme zu geben. Danke.

Sexismus unterm Weihnachtsbaum

Sexismus unterm Weihnachtsbaum

Bald ist Weihnachtszeit und damit die vermeintlich schönste Zeit des Jahres. Dabei ist diese Zeit für viele Menschen nicht die schönste, sondern die schlimmste Jahreszeit.

 

WEIHNACHTEN KANN SCHÖN UND SCHLIMM SEIN

Denn Weihnachten ist eine Zeit, in der sich viele Menschen dem Druck ausgesetzt fühlen, Famileinzeit zu verbringen, Fröhlichkeit zu verbreiten und in Feierlaune zu sein. Dies kann negative Gefühle, traumatische Erfahrungen und Triggerpunkte verstärken.

Friedlich und voller Liebe soll es an Weihnachten zugehen. Und sicherlich tut es das bei vielen Menschen auch.

Doch es gibt auch Menschen, die einsam sind, für die Weihnachten eine Belastung ist oder die gerade dann verstärkt sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind.

 

Besonders Sexismus findet auch unter dem Weihnachtsbaum oder beim Glühweintrinken statt:

„Vielleicht ist Schwul nur eine Phase und du hast nur noch nicht die richtige Frau kennen gelernt?“

„Jetzt komm mal her, Schätzchen, und lass dich küssen.“

„Warum habt ihr dem Jungen eine Puppe geschenkt? Der verweichlicht noch!“

 

KLINGT DAS NACH HARMONIE UND ZUSAMMENHALT?

Vielen Menschen vergeht bei solchen Bemerkungen der Appetit und die Lust auf´s Geschenke auspacken.

Und häufig schon Tage im Voraus. Dann kreisen die Gedanken darum, was dieses Jahr passieren wird und ob es in Tränen, Streit oder Frust endet.

 

WAS KÖNNEN WIR TUN?

Es ist gut, sich jetzt schon mögliche Strategien zurechtzulegen, um mit weniger angenehmen Traditionen dieses Jahr Weihnachten zu brechen.

Beispielsweise, indem wir auf sexistische Bemerkungen sagen:

 

💬 „Mir ist es unangenehm, was du sagst.“

Diese Reaktion greift nicht an, sondern teilt die eigenen Gefühle mit. 

Dies kann ein erster Schritt zur Reflektionen und zum Stoppen dieses Verhaltens sein. Und funktioniert bei jeder diskriminierenden Äußerung.

 

💬 „Wie meinst Du das?“

Durch das Zurückfragen gewinnen wir Zeit, uns eine passende Antwort zu überlegen. Die andere Person muss sich mit ihrer Äußerung auseinandersetzen. Das kann dazu führen, dass sie verstummt, ihre eigene Position verteidigt oder über das Gesagte nachdenkt und gegebenenfalls sogar ein ehrlicher Dialog stattfindet.

 

💬 „Wie seht Ihr das?“

Indem wir die anderen Anwesenden einbeziehen, können wir potentielle Verbündete finden.

Vielleicht werden die anwesenden Personen die sexistische Äußerungen unterstützen. Vielleicht findet eine der anderen anwesenden Personen eine passende Antwort. In jedem Fall lernen wir etwas über die Meinung der Anwesenden.

 

🤐 Gar nichts sagen.

Wir haben das das Recht, gar nicht auf sexistische Äußerungen zu reagieren. 

 

🆘 Unterstützung holen, bspw. beim Hilfetelefon: 

https://www.hilfetelefon.de/ und 08000116 016

 

Je nach Atmosphäre, persönlichen Ressourcen und Umgangston, können wir entscheiden, ob wir mit Zahlen und Fakten, mit Zynismus oder Humor, mit klaren Grenzen oder einem Gesprächsangebot reagieren.

 

© by Verena Arps-Roelle

HILFEPORTALE

Bist Du selber betroffen von sexualisierter Gewalt? Kennst Du jemanden, der von sexualisierter Gewalt betroffen ist? Oder befürchtest Du, selber gewalttätig zu sein oder zu werden?

Dann findest Du hier kompetente, anonyme und kostenfreie Beratung:

HILFETELEFON
08000 116 016 und www.hilfetelefon.de

HILFETELEFON GEWALT AN MÄNNERN
0800 123 990 0 und www.maennerhilfetelefon.de

ANTIDISKRIMINIERUNGSSTELLE DES BUNDES

0800 546 546 5 und  www.antidiskriminierungsstelle.de

TATGENEIGTE PERSONEN
www.kein-taeter-werden.de

#1

Vor 15 Jahren habe ich, weiblich 44 Jahre, frisch aus der Ausbildung, einen neuen Job als Produktmanagerin für Fashion in einem europaweit agierenden Konzern angenommen. Ich war aufgeregt, enthusiastisch und mehr als motiviert. Die Crux war mein direkter Vorgesetzter, einer der Geschäftsführer, der sehr sexualisiert gedacht und gesprochen hat.

Mein Chef hat mich an einem meiner ersten Arbeitstage aufgefordert, vor meinen beiden mir ebenfalls vorgesetzten Kollegen und den stets männlichen Lieferanten, als Modell für zu begutachtende Kleidung zu dienen.

Und da stand ich dann.

Meistens in seinem Büro, mir gegenüber an der Wand ein überlebensgroßes Porträt von zwei Frauen, die oralen Sex miteinander haben. Mal in engen Kleidern, mal in Bikini, mal in T-Shirts und Jeans oder Hot Pants. Dann wurden die Kleidung und ich betrachtet:

„Also sexy ist das nicht!“

„Das liegt nicht am Schnitt, sie hat einen viel zu langen Oberkörper.“

„Oh, XS ist ihr zu klein. Scheiße! Können wir jemanden finden, der dünner ist?“ 

Es schnürte mir wortwörtlich die Luft ab und das pornographische Bild dazu überschritt meine professionelle Grenze um Längen. Doch das direkt zu thematisieren habe ich mich nicht getraut. Viele Kolleg*innen fanden es cool und waren der Meinung, dass ich zu den Glücklichen gehöre, die ins Büro des Chefs gehen und dieses Bild sehen dürfen.

Auf Augenhöhe mit meinen Kollegen fühlte ich mich nicht mehr. Ich konnte Ihnen nicht mehr unbefangen begegnen. Ich wandte mich an den zweiten Geschäftsführenden, mit dem ich die konstruktiven Bewerbungsgespräche hatte. Er verstand mich, kannte das Problem, konnte jedoch nichts ändern. Und scheute, so denke ich heute, die Konfrontation.

Doch ich konnte mich dem nicht länger aussetzen. Mit zitternden Knien und vielen Sorgen im Herzen habe ich fristlos gekündigt – nach 9 Monaten. Es war die richtige Entscheidung, doch sie hat viele negative Konsequenzen für mich gehabt. Finanziell, karrieretechnisch und emotional. Mein Selbstvertrauen als Arbeitnehmende und staatlich geprüfte Expertin war erschüttert.

Nach vielen Jahren des Aufarbeitens, der Reflektion und Weiterentwicklung habe ich mich heute , wieder gesundet, dem Thema verschrieben und die Initiative „act & protect® – GEGEN SEXUALISIERTE GEWALT“ und die „act & protect® Acadamy“ gegründet. Um gegen sexualisierte Gewalt vorzugehen. Auch und besonders im Business. 

WELCHE SEXUALISIERTE GEWALTTAT LIEGT VOR?

1. Inhaltliche sexualisierte Gewalt durch das pornographische Bild

2. verbale sexualisierte Gewalt durch die Aussagen des Vorgesetzten

3. Objektifizierung der Betroffenen als „Kleiderständer“

4. Bewertung und Abwertung der Betroffenen durch normative Körperbilder („sexy“, „zu dick“, etc.)

WELCHE TATSTRUKTUR LIEGT VOR?

1. Abhängigkeit der Betroffenen durch die Täter durch hierarchische Strukturen (Täter waren Vorgesetzte)

2. Unwissenheit der Betroffenen bzgl. der Unternehmensstrukturen und Kulturen (neuer Job)

3. Unerfahrenheit der Betroffenen durch geringe Berufserfahrung in einem großen Konzern

4. Tolerieren und Ignorieren der Taten durch Kolleg*innen, Ansprechpersonen und Geschäftsführende

5. Nicht-Konfrontation der Täter

6. Verankerung der Taten durch Duldung und Ignorieren in die Unternehmenskultur

7. Verweigerung von Unterstützung nach Meldung der Taten an die Geschäftsführung durch die Betroffene

8. „Friss oder Stirb“-Mentalität

Jede Tat und jedes Erleben ist einzigartig. Und doch sind sie keine Einzelfälle. Im Gegenteil. Unser Dank gilt allen Persönlichkeiten, die den Mut haben, ihre Geschichten zu berichten und sexualisierter Gewalt eine Stimme zu geben. Danke.

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