#3

Ich habe als Jugendliche in der Tankstelle bei uns im Ort gear­bei­tet. Meine Arbeit umfass­te auch Schichten am Abend bis 22 Uhr, in denen ich allei­ne in der Tankstelle gewe­sen bin. Ich bin weib­lich und war damals 17 Jahre alt. Keine Ahnung, ob so etwas heu­te recht­lich über­haupt noch zuläs­sig wäre. Videoüberwacht waren damals nur die Zapfsäulen.

Auf jeden Fall kamen vie­le älte­re Männer in die Tankstelle, die sich abends noch Bier oder Zigaretten geholt haben.
Die meis­ten ging nur kurz rein, bezahl­ten und ging wie­der raus. Doch eini­ge fin­gen auch an, immer wie­der zu kom­men, wenn ich da war und mir auch kör­per­lich unan­ge­nehm nahe zu tre­ten. Ich habe mich dann meis­tens hin­ter mei­nen Tresen ver­zo­gen, um so einen Schutz zu haben. Doch auch das hielt sie nicht davon ab, sich über den Tresen zu leh­nen und mich so zu bedrängen.

Ich erin­ne­re mich an einen Taxifahrer, der mich frag­te, ob ich nicht Lust hät­te, mich auf sei­nen „Schaltknüppel“ zu set­zen. Er hät­te sowohl im Auto als auch an sei­nem Körper einen echt gro­ßen: „Das wird Dir bestimmt gefallen.“

Und sowas kam öfter vor. Zunächst habe ich das nicht wirk­lich ernst genom­men und fand das zwar uncool, doch es war ja eher die Ausnahme als die Regel. Das änder­te sich irgend­wann und dann bekam ich Angst.

Ich wuss­te über­haupt nicht, wie ich damit umge­hen soll. Was soll­te ich sagen, um die­se so vierl älte­ren udn mir über­le­ge­nen Männer wie­der los zu wer­den und mich dabei nicht in Gefahr zu brin­gen? Es war abends, es war nicht viel los in der Umgebung, ich war allei­ne und dar­auf über­haupt nicht vorbereitet.
Und wenn ich mich wehr­te und sie raus­schmiss, wür­den sie dann zu mei­nem Chef gehen und sich über mich beschwe­ren? Soweit ich wuss­te, kann­ten vie­le Kunden mei­nen Chef und die Chefin. Und denen ging Profit über alles.

Ich weiß, dass ich mir irgend­wann ange­wöhnt habe, die­sen Männern ein­mal deut­lich zu sagen, dass ich nicht inter­es­siert bin und sie dann zu igno­rie­ren. Meistens gin­gen sie dann irgend­wann. Ich habe ver­sucht, nur noch Tagschichten zu bekommen.
Meine Freundinnen konn­ten mir auch kei­nen bes­se­ren Rat geben. Und den Job auf­ge­ben, fühlt sich an wie zu versagen.

Ich hat­te damals nicht den Hauch einer Ahnung, was ich wirk­lich tun konn­te und soll­te. Heute wür­de ich anders reagie­ren. Damals hat es mich jedoch zutiefst ver­un­si­chert und angeekelt.

WELCHE SEXUALISIERTEN GEWALTTATEN LIEGEN VOR?

  1. Verbale sexua­li­sier­te Gewalt durch anzüg­li­che Bemerkungen und Aufforderungen 
  2. Grenzverletzung durch unge­woll­te kör­per­li­che Nähe 
  3. Objektivierung der Betroffenen als ver­füg­ba­res Sexualobjekt

WELCHE TATSTRUKTUREN LIEGEN VOR?

  1. Hierarchisches Gefälle zwi­schen der Tatperson als Verkäuferin und der Kunden als Könige 
  2. Altersgefälle zwi­schen der Betroffenen und den Tatpersonen 
  3. Ausgeliefertsein der Betroffenen, die die Situation nicht so ein­fach ver­las­sen konn­te, da sie sich an ihrem Arbeitsplatz befand 
  4. Potenziell gefähr­li­che Situation in den Abendstunden und Situation des Alleine Seins 

Jede Tat und jedes Erleben ist ein­zig­ar­tig. Und doch sind sie kei­ne Einzelfälle. Im Gegenteil. Unser Dank gilt allen Persönlichkeiten, die den Mut haben, ihre Geschichten zu berich­ten und sexua­li­sier­ter Gewalt eine Stimme zu geben. Danke. 

Ähnliche Beiträge