Ich bin männlich und 43 Jahre alt. Auf einer Abendveranstaltung sprach mich eine fremder Mann an und sagte zu mir:
„Also, so wie du gehst, wie du dich bewegst und wie du aussiehst, bist du doch schwul.“
Ich war im ersten Moment ziemlich verdattert, weil ich mit dem Thema überhaupt nicht gerechnet habe. Und ich habe dann gesagt, dass ich mich bisher in Frauen verliebt habe, jedoch noch in keinen Mann.
Seine Antwort war: „Du kannst dir das selber nur noch nicht eingestehen. Und jedes Mal, wenn du mit einer Frau schläfst, willst du eigentlich nur in den Schoß deiner Mutter zurück. Denk mal darüber nach.“ Und dann hat er sich umgedreht und ist gegangen.
Ich selber fand es eher belustigend, dass er zu dieser Annahme mir gegenüber kommt, ohne mich zu kennen. Was mich jedoch erschütterte war, wie stereotyp dachte, wie er von meinem Aussehen und meiner Motorik auf meine sexuelle Orientierung geschlossen hat. Wie er mich in ein Rollenbild gequetscht und nicht mehr rausgelassen hat. Und wie er meine Sexualität und meine Partnerschaften ungefragt bewertet hat.
Ich habe ihn danach nicht mehr gesehen, sonst hätte ich ihn gerne darauf angesprochen. Es ist mir allerdings im Gedächtnis geblieben. Und ich frage mich, wie viele andere Menschen in normative Rollen- und Körperbilder gesteckt werden.
WELCHE SEXUALISIERTEN GEWALTTATEN LIEGEN VOR?
- Verbale sexualisierte Gewalt durch Stereotypisierung und Vorverurteilung in bestimmte Rollenbilder und sexuelle Orientierungen
- Grenzverletzung durch ungewollte Bewertung der Lebenssituation und Sexualität
WELCHE TATSTRUKTUREN LIEGEN VOR?
- Überraschungseffekt – fremde Person auf einem beruflichen Event
- Abwertung der heterosexuellen Ausrichtung des Betroffenen („in den Schoß der Mutter zurückkehren“)
- Überstülpen einer vermeintlichen psychologischen Bewertung der Sexualität die Seitens des Fremden als „offensichtlich homosexuell“ bewertet wird
- Unterstellung, dass der Betroffene seine Heterosexualität nicht abstreifen kann und die vermeintlich unterschwellige vorhandene Homosexualität leugnet
- Der Versuch von einer fremden Person, den Betroffenen in eine andere geschlechtliche Rolle zu drängen, die ihr von dieser zugeordnet wird
Jede Tat und jedes Erleben ist einzigartig. Und doch sind sie keine Einzelfälle. Im Gegenteil. Unser Dank gilt allen Persönlichkeiten, die den Mut haben, ihre Geschichten zu berichten und sexualisierter Gewalt eine Stimme zu geben. Danke.