Ich habe als Jugendliche in der Tankstelle bei uns im Ort gearbeitet. Meine Arbeit umfasste auch Schichten am Abend bis 22 Uhr, in denen ich alleine in der Tankstelle gewesen bin. Ich bin weiblich und war damals 17 Jahre alt. Keine Ahnung, ob so etwas heute rechtlich überhaupt noch zulässig wäre. Videoüberwacht waren damals nur die Zapfsäulen.
Auf jeden Fall kamen viele ältere Männer in die Tankstelle, die sich abends noch Bier oder Zigaretten geholt haben.
Die meisten ging nur kurz rein, bezahlten und ging wieder raus. Doch einige fingen auch an, immer wieder zu kommen, wenn ich da war und mir auch körperlich unangenehm nahe zu treten. Ich habe mich dann meistens hinter meinen Tresen verzogen, um so einen Schutz zu haben. Doch auch das hielt sie nicht davon ab, sich über den Tresen zu lehnen und mich so zu bedrängen.
Ich erinnere mich an einen Taxifahrer, der mich fragte, ob ich nicht Lust hätte, mich auf seinen “Schaltknüppel” zu setzen. Er hätte sowohl im Auto als auch an seinem Körper einen echt großen: „Das wird Dir bestimmt gefallen.“
Und sowas kam öfter vor. Zunächst habe ich das nicht wirklich ernst genommen und fand das zwar uncool, doch es war ja eher die Ausnahme als die Regel. Das änderte sich irgendwann und dann bekam ich Angst.
Ich wusste überhaupt nicht, wie ich damit umgehen soll. Was sollte ich sagen, um diese so vierl älteren udn mir überlegenen Männer wieder los zu werden und mich dabei nicht in Gefahr zu bringen? Es war abends, es war nicht viel los in der Umgebung, ich war alleine und darauf überhaupt nicht vorbereitet.
Und wenn ich mich wehrte und sie rausschmiss, würden sie dann zu meinem Chef gehen und sich über mich beschweren? Soweit ich wusste, kannten viele Kunden meinen Chef und die Chefin. Und denen ging Profit über alles.
Ich weiß, dass ich mir irgendwann angewöhnt habe, diesen Männern einmal deutlich zu sagen, dass ich nicht interessiert bin und sie dann zu ignorieren. Meistens gingen sie dann irgendwann. Ich habe versucht, nur noch Tagschichten zu bekommen.
Meine Freundinnen konnten mir auch keinen besseren Rat geben. Und den Job aufgeben, fühlt sich an wie zu versagen.
Ich hatte damals nicht den Hauch einer Ahnung, was ich wirklich tun konnte und sollte. Heute würde ich anders reagieren. Damals hat es mich jedoch zutiefst verunsichert und angeekelt.
WELCHE SEXUALISIERTEN GEWALTTATEN LIEGEN VOR?
- Verbale sexualisierte Gewalt durch anzügliche Bemerkungen und Aufforderungen
- Grenzverletzung durch ungewollte körperliche Nähe
- Objektivierung der Betroffenen als verfügbares Sexualobjekt
WELCHE TATSTRUKTUREN LIEGEN VOR?
- Hierarchisches Gefälle zwischen der Tatperson als Verkäuferin und der Kunden als Könige
- Altersgefälle zwischen der Betroffenen und den Tatpersonen
- Ausgeliefertsein der Betroffenen, die die Situation nicht so einfach verlassen konnte, da sie sich an ihrem Arbeitsplatz befand
- Potenziell gefährliche Situation in den Abendstunden und Situation des Alleine Seins
Jede Tat und jedes Erleben ist einzigartig. Und doch sind sie keine Einzelfälle. Im Gegenteil. Unser Dank gilt allen Persönlichkeiten, die den Mut haben, ihre Geschichten zu berichten und sexualisierter Gewalt eine Stimme zu geben. Danke.